Theaterkritik im Südkurier vom 16. 3. 05

Wahre Größe

Krokodil sein oder Nicht-Krokodil sein?

Applaus: Lettenewitsch und Posch beim Zweiten Konstanzer Comedy-Frühling

Das Gespann Frank Lettenewitsch und Günter Posch gab es schon einmal zusammen auf der Bühne: "Hirnrisse" nannte das etwas andere philosophisch-kabarettistische Duo sein Programm, mit dem es in der Theaterwerkstatt zu sehen war. Ohne Probleme ließe sich dieser Titel auch für das aktuelle Programm verwenden. Die geistigen und schauspielerischen Höhenflüge von Lettenewitsch/Posch gefallen sich in den Verästelungen des Denkens.

Wer albernen Klamauk oder sinnentleerte Comedy erwartet, muss sich nicht zu ihnen in den Theatersaal verirren. Die Figuren, die es Lettenewitsch und Posch angetan haben, sind Verunglückte. Die "wahre Größe" (Titel des Programms) ist ihnen ein hehrer Wunsch, Versprechen und Drohung, im Scheitern geboren; einem Scheitern allerdings, das in den kurzen Szenen und Monologen in ein Lächeln verpackt ist und ganz nach Thomas Bernhard die Tragödie in der Komödie und die Komödie in der Tragödie entdeckt.

Der Schauspieler Frank Lettenewitsch schlüpft hierfür in die unterschiedlichsten Rollen: ist Kellner, Requisiteur, Posaunist und - ja - Schauspieler.

Es sind die kleinen alltäglichen Tragödien, an denen sich doch das ganze Weltensein ablesen lässt, das dann aufscheint. Zerplatzte Träume, verhinderte Karrieren, große Fehltritte: Lettenewitsch hat in seinen Rollen ein Gespür für die Tragödien, die hinterm Bühnenvorhang lauern. Einem Schauspieler, der seinen Einsatz verpasst, ein Posaunist, der die Katastrophe probt. "Der Erzbischof ist da", soll der Schauspieler sagen, doch er betritt die Bühne zu früh. Abgang in Schande. Ebenso wie der Posaunist der Berliner Oper, der vor einigen Jahren in Israel für einen Skandal sorgte als er zu volltrunkener Stunde seinen Scheck im Hotel mit "Adolf Hitler" unterzeichnete. Friedrich Christian Delius hat die wahre Episode im Roman "Die Flatterzunge" fiktionalisiert. Lettenewitsch holt sie zurück auf die Bühne des Lebens.

Dazwischen spinnt Günter Posch Gedankenkapriolen: träumt von einer nach ihm benannten Krankheit ("Morbus Poschensis"), der in großformatigen Bildbänden gehuldigt wird und die mit nie gekannten Fisteln entrückter Schönheit aufwartet. Posch und wie er seine Beulen meistert, die Beule als Weg - Überlegungen von Günter Posch, der auf der Bühne sitzt und seinen Gedankenapparat kreisen lässt. Zum Beispiel zur Frage von Sein und Nicht-Sein, von Krokodil sein und Nicht-Krokodil sein. "Es könnte doch sein, dass ich ein Krokodil bin und nichts davon weiß", philosophiert er ganz erkenntnistheoretisch und fügt hinzu, "Krokodil sein oder Nicht-Krokodil sein, das ist die Frage, um die ich nicht mehr herumkomme". Ein philosophisches Krokodil namens Hamlet, das Descartes verschluckt hat: Posch kann auch das sein. Applaus!

Markus Zinsmaier