Günter Posch > Politikseite > 30 Jahre RAF > Politikseite > Startseite AUS DEM LEXIKON

Die RAF war die bekannteste und gefährlichste Terrororganisation in Deutschland. Ihr "offizielles" Gründungsdatum ist der 17.05.1970. An diesem Tag wurde Andreas Baader, eines der Gründungsmitglieder der RAF, auf einem Haftausgang gewaltsam durch Gesinnungsgenossen befreit. Die Gründungsgeneration hielt sich nach der Befreiung für einige Monate im Nahen Osten auf und durchlief dort eine kurze militärische Ausbildung. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland veröffentlichte sie ein erstes Strategiepapier: "Das Konzept Stadtguerilla", das - angelehnt an das "Minihandbuch des Stadtguerilleros" von Carlos Marighella - maßgeblich aus der Feder von Ulrike Meinhof stammte.

1972 beging die RAF ihre ersten Anschläge. Im Rahmen der Fahndung nach mit Haftbefehl gesuchten Terroristen kam es zu ersten Schießereien zwischen RAF-Mitgliedern und der Polizei. Erste Todesopfer waren zu beklagen. Mit einem für die Republik bis dahin ungewöhnlichen Fahndungsapparat gelang es, die wichtigsten Gründungsmitglieder der RAF bereits 1972 festzunehmen. Sie setzten ihren politischen Kampf in den Gefängnissen mit zahlreichen Hungerstreiks fort. Während eines derartigen Hungerstreiks verstarb 1974 Holger Meins. Andere Personen aus ihrem politischen Umfeld tauchten in den Untergrund ab und setzten die Anschläge fort. Ihr Hauptaugenmerk richteten die in Freiheit befindlichen RAF-Mitglieder vornehmlich auf die Freipressung ihrer inhaftierten Gesinnungsgenossen.

1975 gelang der terroristischen "Bewegung 2. Juni" (benannt nach dem am 02. Juni 1967 erschossenen Demonstranten Benno Ohnesorg) ein Freipressungsversuch. Die hauptsächlich in Berlin agierende Gruppierung entführte im Februar 1975 den Berliner CDU-Bürgermeisterkandidaten Peter Lorenz. Nach der Freilassung von inhaftierten Terroristen wurde auch Lorenz freigesetzt. Noch im selben Jahr versuchte ein RAF-Kommando eine weitere Aktion dieser Art. Im April 1975 überfiel es die deutsche Botschaft in Stockholm. Da die Bundesregierung der Erpressung nicht nachgab, erschossen die Terroristen den deutschen Militärattache, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Bei der Erstürmung der Botschaft durch schwedische Sicherheitskräfte kamen weitere Menschen ums Leben.

1976 erhängte sich Ulrike Meinhof in ihrer Zelle.

30 Jahre RAF

Es ist schon ein Weilchen her, dass sich die RAF betätigte, und für Leute, die heute 25 sind, liegt diese Zeit gefühlsmäßig so weit zurück wie für mich der Dreißigjährige Krieg. Für mich aber ist die RAF Gegenwart, denn 30 Jahre zurück ist eine Art Vorgestern.

Wie war meine Einstellung zur RAF? Zum ersten fand ich schon den Namen eine Hochstapelei: Ein paar Leute, 20 oder 30, nannten sich "Armee", und dazu "Rote Armee". Kam noch die "Fraktion" dazu. "Fraktion" müsse so etwas bedeuten, meinte ich, wie "Teil eines größeren Ganzen". Was aber das größere Ganze war, von dem diese "Rote Armee" ein Teil sein sollte, wurde mir nie klar. Gab es denn einen größeren Teil der Bevölkerung, der eine Revolution wollte und dessen bewaffneter Arm die RAF war? Ein solcher größerer Teil der Bevölkerung war nirgends auszumachen. Es gab ihn nicht. Und wenn die RAF allen Ernstes die Lage so einschätzte, dass ein wesentlicher Teil (oder zumindest ein wesentlicher Bruchteil) der Deutschen für eine Revolution zu gewinnen gewesen wäre, dann war die RAF einfach dumm. Es fehlte ihr der gesunde Menschenverstand. Ich schätzte sie als Halbintellektuelle ein, die sich mit revolutionären Theorien das Gehirn so vernebelt hatten, dass sie zu einer halbwegs zutreffenden Beurteilung der Stimmung in der Bevölkerung nicht mehr fähig waren.

Zum zweiten fand ich die Moral der RAF verheerend. Es war diese Überheblichkeit, Herr über Leben und Tod zu spielen: die Bereitschaft Menschen umzubringen, um ein politisches Ziel zu erreichen. Sie haben im ganzen etwa 50 Menschen umgebracht, getreu dem Grundsatz aller Brutalos der Geschichte: "Wer meinem Ziel im Wege steht, wird vernichtet." Die unglaubliche Anmaßung, die darin besteht, Todesurteile auszusprechen und zu vollstrecken! Wie kommt ein Baader oder eine Meinhof dazu, Todesurteile zu verhängen?! Besonders widerwärtig und abstoßend war es, als die RAF ein Flugzeug der Lufthansa entführte und den Piloten Jürgen Schumann ermordete. Ich fand es richtig, dass sich der Staat mit aller Macht gegen diese Leute gewehrt und sie schließlich dingfest gemacht hat.

Vor kurzem habe ich Claus Peymann im Fernsehen gesehen. Er schien so etwas wie Verständnis für die RAF zu empfinden. (Wenn ich mich täusche, bitte ich um Entschuldigung!) Die Taten der RAF seien auf dem Hintergrund der "miefigen" Adenauer-Zeit zu verstehen. Nun gibt es aber zur "miefigen" Adenauer-Zeit den Hintergrund der bestialisch stinkenden Nazizeit. Und im Vergleich dazu riecht die Adenauer-Zeit wie Kölnischwasser. Die Bundesrepublik zu Zeiten Adenauers war ein Staat mit einer guten Verfassung, mit sozialer Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit. Und dass nicht alles einem Idealzustand glich, ist geschenkt. Die RAF an der Macht hätte einen Rückfall in die Barbarei bedeutet.

Soll der Bundespräsident Christian Klar begnadigen? Von mir aus soll er. Ob Klar seltsame Grußbotschaften vom Knast oder von zu Hause aus verschickt, macht keinen Unterschied; mit praktischer Intelligenz ist er nicht ausgestattet. Ein Freund sagte mir: „Wenn der Mann wirklich etwas für seine Begnadigung hätte tun wollen, dann hätte er im rechten Augenblick ein Buch mit dem Titel ‚Mein schwieriger Weg zur Marktwirtschaft‘ herausgebracht, statt klassenkämpferische Botschaften an verschimmelte SED-Bonzen und Stasi-Altspitzel zu schicken.“ Mit den SED-Bonzen teilt Klar die Meinung, man könne schon ein paar Morde begehen, um einem glorreichen Sozialismus die Zukunft zu sichern.

Fahndungsplakat 1980
Broschiert 12,95 Euro. S. Fischer-Verlag 2007
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