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Der Irak-Krieg wurde bekanntlich von den USA und den mit ihnen verbündeten Staaten gegen den Irak geführt und gewonnen. Der Angriff begann am 20. März 2003. Vor dem Krieg sprachen sich die meisten Mitglieder des UN-Sicherheitsrates gegen den Krieg und für eine Fortsetzung der Waffeninspektionen aus. Massenvernichtungswaffen wurden nach Kriegsende nicht gefunden, Saddam sitzt hinter Gittern, das Elend durch Kriegszerstörungen ist groß, der Terrorismus schlägt ungehemmt zu, Tausende haben nach dem Krieg ihr Leben verloren, Wahlen haben stattgefunden, ob es eine Demokratie nach unseren Vorstellungen geben wird, ist ungewiss. Den folgenden Aufsatz habe ich sechs Wochen vor Beginn des Kriegs geschrieben. Der Vorschlag, Saddam solle sich in den Wallis ins Exil begeben, geisterte gerade durch die Presse. Es gab verrückte Meldungen wie „Skiparadies will Saddam Asyl bieten Vorstoß aus dem Wallis Schweiz hat Erfahrung mit afrikanischen Potentaten.“ Und es gab Demonstrationen, bei denen “Bush, führ keinen Krieg!” gerufen wurde. Der Irak-Krieg als Zumutung Diesen Irak-Krieg, der unmittelbar bevorsteht, empfinde ich als Zumutung. Mir mißfällt daran besonders, dass zwei Figuren, die mit großer Macht ausgestattet sind, darüber entscheiden, ob viele Menschen sterben müssen. Der eine: bluttriefender Widerling, der mit seinen Kriegen und Mordaktionen etwa eine Million Menschenleben auf dem Gewissen hat. Die Bezeichnung “Feind des Menschengeschlechts” trifft auf ihn zu. Der andere: mehr oder weniger demokratisch gewählt, Ex-Weltmeister im Unterzeichnen von Todesurteilen, religiöser Fundamentalist und Erfinder der Achse des Bösen. Wäre ich der liebe Gott, würde ich den einen mit spitzen Fingern anfassen und nach Haag ins Gefängnis tun, den anderen absetzen und dazu zwingen, arabische Vokabeln zu lernen. Bekanntlich bin ich nicht der liebe Gott, also muss ich etwas anderes tun. Tun kann ich aber herzlich wenig. Und wenn ich auf eine Demonstration ginge, dann sollte das eher eine Demonstration sein, bei der zu lesen wäre: “Saddam, du Arschloch, geh in den Wallis und reiß nicht Hunderttausende mit dir in den Tod!” Öffentlich in der Masse zu rufen “Bush, führ keinen Krieg!” könnte das Monster in Bagdad stärken. Es mag denken: “Die Weltöffentlichkeit ist auf meiner Seite. Ich werde als Held sterben, wenn ich schon sonst ein Schwein gewesen bin!” Was dieser Kerl wirklich denkt, weiß ich nicht. Es fehlt mir auch jede Lust, mich in die Seele eines Massenmörders und Despoten zu versetzen. - Ich kann aber auch die Leute verstehen, die sagen: “Bush führ keinen Krieg!” Ihnen geht es darum, dass auf keinen Fall ein Krieg geführt wird. Sie halten Saddam für ein uneinsichtiges Monster, an dessen Gewissen zu appellieren von vornherein sinnlos wäre, also wenden sie sich an den, von dem sie mehr Einsicht erwarten. Er hat sie aber nicht. Der Standpunkt “Es soll auf keinen Fall Krieg geführt werden” ist ehrenwert. Krieg ist keine Kampfsportart, bei der es fair zuginge, sondern ein organisiertes und maschinelles Zerstören im großen Stil und ein Massenabschlachten, - jedenfalls eine widerwärtige Veranstaltung. Wer dagegen demonstriert, sieht das genau so. Kann ich andererseits von vornherein ausschließen, dass eine gewaltsame Beseitigung des Monsters in Bagdad der Welt größere Übel erspart als das Gewährenlassen? Ich kann es nicht; es könnte sein, dass die Folgen der Beseitigung des Tyrannen insgesamt positiver sind, weniger Menschen das Leben kosten und die Welt zum Besseren wenden. Ich müßte eben die Folgen von Krieg oder Nichtkrieg kennen. Sie aus der Geschichte zu erschließen, ist unmöglich: es gibt keine historischen Gesetze wie es Gesetze der Physik gibt. Alle Vergleiche von Saddam mit Hitler sind abwegig, historische Parallelen immer fragwürdig. Die Folgen von Krieg oder Nichtkrieg mit Hilfe irgendeiner Wissenschaft oder mit irgendeiner Computersimulation voraussagen zu wollen, ist Unsinn. Herr Bush und Herr Saddam wissen genauso wenig wie ich, welche Folgen aus Krieg oder Nichtkrieg entstehen werden. Und obwohl wir keine Ahnung haben, wie es mit den Folgen von Krieg und Nichtkrieg aussieht, könnte es besser sein, den Diktator zu beseitigen als ihn gewährenlassen. Es könnte besser sein, aber auch das Gegenteil ist denkbar. Man ist übrigens schnell geneigt zu sagen: Wäre eines der Attentate auf Hitler gelungen, wäre die Welt besser gewesen. Tatsächlich ist die Wahrheit dieser Aussage nicht erwiesen. Aus dem einfachen Grund, weil das menschliche Verhalten und der Lauf der Welt nicht vorhersagbar sind. Die Sonnenfinsternis läßt sich wohl vorhersagen, nicht aber wie sich eine hitlerlose Welt von 1939 entwickelt hätte. Wäre womöglich ein Hitler-Ersatz gekommen, der Schlimmeres vollbracht hätte? Und natürlich ist es möglich, dass die Welt nach einem gelungenen Anschlag auf Hitlers Leben besser gewesen wäre. Ich glaube das auch, und ein solcher Lauf der Geschichte wäre mir viel lieber, aber ich weiß nichts über eben diesen Lauf der Geschichte. Und aus solchen Überlegungen folgt überhaupt nichts für die Frage: Saddam beseitigen, ja oder nein? Es spricht wohl einiges dafür, ein Monster wie Saddam aus dem Verkehr zu ziehen. Man denke sich eine Weltpolizei, die diesen Kerl verhaftet, nebst fünfzig anderen Gewaltmonstern, die sich irgendwo einen Staat unterworfen haben. Die Vorstellung, dass die Menschheit sich insgesamt demokratisch organisiert und Gewalttätern verbietet, politische Ämter zu bekleiden, ist angenehm. Ich könnte in dieser Utopie schwelgen. Immanuel Kant hat sich vor über 200 Jahren in seiner Schrift “Zum ewigen Frieden” eine ähnliche Utopie ausgedacht und sich daran erfreut. Es sind wohl ehrenwerte Utopisten, die aus der UNO eine Art Weltregierung machen möchten, die über Krieg oder Nichtkrieg entscheidet. Und wird nicht im Sicherheitsrat der Anschein erweckt, er, der Sicherheitsrat, sei eine Instanz, die über Krieg und Frieden entscheidet? In Wahrheit entscheiden Bush und Saddam. Und wenn Bush schließlich entscheidet, Saddam zu vernichten, kann es sein, dass diese Entscheidung richtig war im Hinblick auf langfristige Folgen. Es könnte aber auch die falsche Entscheidung gewesen sein. Wenn ich mir die Berater der beiden Hauptdarsteller anschaue, wird mir ziemlich flau: Bei Herrn Bush sind es Leute aus dem Ölgeschäft, bei Herrn Saddam gibt es wahrscheinlich keine Berater, sondern bloß Jasager, weil der, der ihm empfiehlt in den Wallis zu gehen, sofort ein wenig geköpft wird. Die Entscheidung für Krieg ist schon gefallen, denn Bush zieht seine Streitmacht nicht ab, ohne zuvor Saddam erlegt zu haben. Wenn er schon Bin Laden nicht erwischt, dann wenigstens einen anderen Vertreter des Bösen. Mit Terrorbekämpfung hat dieser Krieg nichts zu tun. Er ist eine Ersatzhandlung, die der Öffentlichkeit in den USA als Terrorbekämpfung verkauft wird. Günter Posch (Februar 2003) |
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