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Ehrenkompanie


Ehrenkompanien schreite ich ganz gerne ab. Ehre, wem Ehre gebührt. Die Jungs halten die Waffen vor sich her, ich schreite vorbei. Ja, nicht schlecht.

So ganz leicht ist es aber nicht. Es gibt einige Anfängerfehler: z. B. sich selber beim Gehen zusehen; da kriegt man weiche Knie und kann nicht mehr richtig gehen. Das macht einen schlechten Eindruck. Man darf auch nicht einzelne Gesichter ansehen, wenn man vorbeigeht: man verdreht dann den Kopf und geht womöglich im Zickzack.

Man sollte beim Gehen eine gewisse Eleganz entfalten. Die Ehrenkompanie steht stramm da, einer sieht aus wie der andere, keiner darf niesen, husten oder rülpsen. Selber darf man ein wenig Hüsteln: das wirkt abgeklärt und macht sich ganz gut. Und dann schreitet man elegant vorbei, wie gesagt. Aber niemals sich bewusst vornehmen, elegant zu schreiten, sonst geht das in die Hosen. Das ist ein unschönes Bild. Da muss das Unbewusste ran. Klar! Ich esse auch vorher nie Zwiebel oder Schwarzwurzeln. Man verkrümmt sich dann irgendwie.

Beim Abschreiten sollte man, wenn überhaupt, an etwas ganz anderes denken. Dass aQuadrat + bQuadrat = cQuadrat oder so etwas und dass niemand der Anwesenden in der Lage wäre, das zu beweisen. So schafft man einen gewissen Abstand zum Geschehen. Es wäre aber auch sinnlos, Wissenschaftler antreten zu lassen. Die stünden lasch da, mit käsigen und zerrütteten Gesichtern. Sie würden bedrohlich wirken, dem Staatsgast würde es mulmig werden, eine Art Kriegserklärung.

Einmal hat mir einer erzählt, er denke, wenn er die Ehrenkompanie abschreitet, an schöne nackte Frauen. Die Zeit des Abschreitens verginge dabei wie im Flug. Und es würde auch zu dem passen, woran die angetretene Ehrenkompanie dächte. Er wisse aus erster Hand, dass der Kompaniechef (das ist der mit dem Säbel in der Hand) den Soldaten mindestens einmal sage: „Wer an nackte Weiber denkt, fliegt raus!“ - Aber den Abschreiter könne er ja nicht hinauswerfen. Haha.

Ich denke eigentlich nie dergleichen, wenn ich eine Ehrenkompanie abschreite. Es ist nicht zielführend und ich bin zu alt dafür. Aber aus Erfahrung kann ich sagen: Wenn man zum 200. Mal abgeschritten hat, denkt man überhaupt nichts mehr. Das ist der Idealzustand. Wenn man so weit gekommen ist, dann hat man es weit gebracht und man geht würdevoll und elegant an der Ehrenkompanie vorbei.

© Günter Posch, 13. Nov. 06

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